Kurier-Futurezone-Interview zur Ablenkung beim Fahren
Nachfolgender ein kurzer Auszug aus dem kürzlich veröffentlichten Interview des Kurier mit AUDIO MOBIL-CEO Thomas Stottan. Der Beitrag zeigt dabei Trends der künftigen Mobilität. Ablenkung nimmt bei allen Usability-Themen und auch bei der Sensorik-Frage einen großen Stellenwert ein.
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Die Zahl der Todesopfer in Autounfällen sinkt stetig. Inwiefern haben Fahrerassistenzsysteme einen Einfluss darauf?
Die ersten FAS wie ABS und ESP haben damals schon geholfen, dass Unfallopfer weniger werden. Mit Gurt, Airbag, Seitenairbag hat man die Verletzungsrisiken reduziert. Und das wird noch besser, weil neuere Systeme wie z.B. der Abbiegeassistent uns weiterhelfen. Die Unfallzahl wird in Prozent reduziert. Gleichzeitig steigt der Verkehr immer mehr. In 10, 15 Jahren werden wir den Zenit erreichen, wenn die Digitalisierung Einzug in die Mobilität hält. Durch die Digitalisierung entsteht die Möglichkeit, unterschiedliche Verkehrsträger miteinander zu verknüpfen. Zum Beispiel, wenn ich zum Bahnhof fahre, und das Auto parkt sich selbst und lädt sich in der Zwischenzeit auch elektrisch auf, dann fallen Dinge wie Parkplatzsuche weg, das ist ein attraktives Szenario für Fahrzeugnutzer auch attraktiver . Aber die Übergänge müssen funktionieren, d.h. der Parkplatz, der mir als frei angezeigt wird, muss auch tatsächlich frei sein und der Zug um die angegebene Zeit abfahren. Durch diese Verlagerung kommt es zu einer Verkehrsreduktion und damit auch zu weniger Unfällen.
FAS erweitern unsere Sinne. Eine Kamera mit Rundumsicht erweitern unseren Blickwinkel, eine Nachtsichtkamera sieht per Infrarot, was unser Auge nicht sieht. Radar erkennt, was unsere Sensorik nicht erkennt. Beispiel: das Lenkrad vibriert, wenn wir eine Leitlinie überfahren. Ich denke, dass wir Menschen Autos mit derartigen Funktionen in 20 Jahren blind vertrauen werden.
Aber ich glaube auch, dass es in 10 bis 15 Jahren zu mehreren Weggabelungen kommen wird. Zum Beispiel: People-Mover, also in der Regel schienengebundene Verkehrsmittel. Warum nicht hochautomatisiert auf bestimmten Routen? Diese müssten mit Straßensensoren ausgestattet werden, damit das Auto betriebssicher unterwegs ist. Die Bahn oder U-Bahn fährt teilweise auch schon ohne Lokführer. Und wenn die entsprechende Sensorik vorhanden ist, dann erreichen wir auch annähernde Sicherheitsstufe wie bei der U-Bahn. Und diese Sensorik sie ist günstiger als Schienen.
Die zweite Weggabelung sind Leute mit Einschränkungen, die auch mobil sein können, vor allem am Land.
Und Menschen, die meinen, noch agil zu sein. Sie können das Fahren dann zum Beispiel temporär komplett abgeben; auf der Autobahn oder beim Parken. Aber das Fahren können sie noch erleben.
Welche Technologien sind die sichersten/ am fortschrittlichsten?
Alle haben einen unterschiedlichen Zugang zu FAS, also wird das wichtigste sein, Vertrauen an die Anwender heranzutragen.
Am fortschrittlichsten sind unterstützende Systeme, die in die Fahrdynamik eingreifen, wie ABS oder ESP. Alles was mit Sensorik zusammenhängt, ist hingegen immer in Frage zu stellen, da sie von Umweltbedingungen abhängen. Ist eine Kamera verschmutzt oder mit Schnee bedeckt, dann sieht sie nichts. Radar funktioniert dann auch nur eingeschränkt.
In der Luftfahrt regelt man das mit genügend Sicherheitsabständen. Auf den Straßen müsste man dafür aber die Kapazitäten schätzungsweise verdreifachen.
Am sichersten ist meiner Meinung nach Connectivity, wenn 5G flächendeckend vorhanden ist. Wann es aber soweit ist, ist eine Frage des politischen Geschicks. Externe Umweltfaktoren haben auf Funkwellen nämlich keinen Einfluss. Dafür aber Störsender und das Risiko, gehackt zu werden. Wenn also diese Verkehrsträger über Connectivity vernetzt sind, dann sind sie auch anfällig für Hacks.
Soweit Handys und Fahrzeuge bei allen Verkehrsteilnehmern miteinander verknüpft sind, kann ich Unfälle vermeiden. Das geht, das ist das Schöne dran. Aus meiner Sicht ist das die sicherste Variante. Schwierig wird es dann nur noch bei Tieren und jenen Menschen, die kein Handy haben und nicht vernetzt sind.
Aber grundsätzlich hilft alles und ist mehrfach vorhanden. Wenn ein System ausfällt, setzt ein anderes ein, außer eben bei Schnee. Funksysteme funktionieren immer.
Aber wir Menschen sind nach wie vor einfach genial. Unser Gehirn kann unheimlich schnell reagieren und ist lernfähig, aber wir machen auch mehr Fehler als eine Maschine. Wenn wir besser werden wollen als alle Maschinen, dann kommen wir um flächendeckendes Funknetz nicht umher.
Mensch oder Maschine?
Sie sehen zwei A380 Superjumbo. Einer ist mit einem riesigen Rechner ausgestattet, der andere mit zwei Piloten. In welchen steigen Sie ein? Die meisten nehmen den mit zwei Piloten, weil es letztlich immer um das Vertrauen in eine Technologie geht. Damit das passiert, ist es unter anderem wichtig, Fehler offen anzusprechen. Nur so können wir uns technologisch weiterentwickeln.
Wie lange schätzen Sie, wird es noch dauern, bis wir sichere autonome Fahrzeuge haben?
Das ist eine Frage der Technologie und der Marktdurchdringung. Wenn ich es technologisch betrachte und wir eine flächendeckende Connectivity haben, dann werden sie mindestens genauso sicher wie Menschen fahren. Grundsätzlich würde ich sagen: Wenn wir 5G flächendeckend haben, dann würde ich noch ein Jahr dazugeben, und dann wären wir schon dort. Aber die Frage geht an die Politik.
In Bezug auf die Marktdurchdringung haben wir einen Fahrzeugwechsel von zwölf sieben Prozent im Jahr. Alle vier Jahren bringen Autohersteller neue Fahrzeuge heraus. Wir bräuchten also acht bis zehn Jahre, um den Fahrzeugbestand auszutauschen. Voraussetzung ist, dass alle autonom fahren. Es liegt also eher an der Marktdurchdringung als an der Technologie.
Ich denke, dass wir diesen Wechsel in 25, 30 Jahren wirklich signifikant spüren.
Was sind großen Herausforderungen/ Probleme im Bereich der FAS?
Ganz wichtig ist der Umweltschutz. Diese ganze Vernetzung hat einen enormen Effekt auf unseren ökologischen Fußabdruck. Die Umstiegs-Szenarien auf andere Verkehrsträger bedeutet, dass sich der Schadstoffausstoß drastisch reduziert.
Mit der Elektromobilität alleine verlagert sich die Problematik nur. Denn oft tanken Leute jeden Tag, obwohl sie lediglich zehn Kilometer fahren.
Wenn ich mir in den nächsten Jahren ein Auto kaufen möchte, welche Sicherheitstechnologien soll es haben?
Jeder sollte sein Mobilitätsverhalten kritisch hinterfragen – die Wahl ist sehr spezifisch.
In der Stadt, wo ich kürzere Strecken fahre, würde ich z.B. ein Elektroauto empfehlen. Außendienstmitarbeitern, die mehrere 100 km am Tag zurücklegen, einen hocheffizienten Diesel. Das Angebot wird in Zukunft so vielfältig sein, dass jeder das passende für sich aussuchen kann.
FAS wie Abstandsregeltempomat, oder Spurwechselassistent werden ohnehin von der EU vorgegeben in einigen Jahren.
Eine Studie der TU München hat ergeben, dass 80 Prozent der FAS gar nicht genutzt werden, weil die Fahrer nicht wissen, was die können. Das Problem ist wieder Vertrauen und Akzeptanz.
Technologien gegen Ablenkung?
Eine Technologie als solche gibt es nicht, aber wir von Austrian Standards International (österr. Normungs-Institut) haben in der ARGE für Bediensicherheit und Ablenkung von Fahrzeugen, deren Vorsitz ich leite, erstmals eine Norm geschaffen, mit der wir technologische Ablenkungen erheben können, also ob eine Funktion im Auto sicher oder unsicher ist. In dieser Norm werden die Technologien bewertet, ob sie freigegeben werden dürfen oder weil sie ein zu hohes Ablenkungsrisiko bergen nicht.
Ein Touchdisplay auf der Fahrerseite beispielsweise sorgt für mehr Ablenkung, denn oft scheint die Sonne darauf und man will vergewissern, ob man denn das Richtige gedrückt hat. Wenn der Fahrer die Wahl eines Knopfes oder Touch hat, dann wählt er in der Regel den Knopf. Auf der Beifahrerseite ist das ganz anders. Auch die Sprachbedienung muss hinterfragt werden. Wenn der Sprachdialog KI-unterstützt ist und gut funktioniert, dann hat sie ein kleines Ablenkungspotenzial. Wenn ich aber 25 Mal wiederholen muss, damit es mich versteht, dann ein hohes.
Durch die von uns geschaffene Norm wird jede Technologie auf neutrale Weise betrachtet. Meine Vision darüber, wie ein Auto in Zukunft auszusehen hat, ist: Interaktiv, keine Bedienungsanleitung, und das Auto macht in der ersten Kurve genau das, was ich erwarte.
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